đ Die Furchtbare See
đ Die Furchtbare See
Manche GewĂ€sser spiegeln. Dieses denkt zurĂŒck.
Der erste Blick ist nichts als Weite.
Kein Horizont, kein Land, nur eine Linie,
wo Himmel und Meer verschmelzen.
Doch diese Linie bleibt nie still.
Sie wandert, atmet,
und manchmal scheint sie⊠zuzuhören.
Die See ist schwarz.
Nicht dunkelblau, nicht grĂŒn â schwarz,
selbst im Licht der Mittagssonne.
Es ist keine Farbe,
sondern das Fehlen von jeder.
Als hÀtte sie beschlossen,
nichts zu zeigen, was in ihr liegt.
Und doch bewegt sie sich.
Nicht chaotisch,
sondern im Rhythmus.
Wellen kommen nicht zufĂ€llig â
sie kommen in Mustern,
die sich wiederholen,
dann abbrechen,
dann neu beginnen,
wie eine Melodie,
die vergessen werden will,
aber nicht kann.
Wer hinausfÀhrt,
merkt schnell, dass der Wind nicht der Herr hier ist.
Er treibt das Wasser nicht â
das Wasser treibt ihn.
Segel spannen sich gegen Strömungen,
die nicht zu den Wellen passen.
KĂ€hne drehen sich,
ohne dass sich das Ruder bewegt.
NebelbÀnke tauchen auf,
dicht und schwer wie Tuch.
Sie formen Gestalten,
die nur bleiben,
solange man nicht direkt hinsieht.
Dreht man sich um,
sind sie weg.
Oder nÀher.
In manchen NĂ€chten,
wenn der Mond ĂŒber dem Wasser hĂ€ngt,
spiegelt sich nicht der Himmel in der See â
sondern etwas anderes.
Ein Land, das es nicht gibt.
Ein Gesicht, das nicht hier sein sollte.
Eine Bewegung,
die nur unter der OberflÀche stattfindet.
Die Fischer von VaelâKarr berichten,
dass die See manchmal spricht.
Nicht in Worten â
sondern in Lauten,
die zu tief sind, um sie mit dem Ohr zu hören.
Sie fĂŒhlen sich im Brustkorb an,
im Magen,
in den Knochen.
Und wenn sie enden,
bleibt ein Vibrieren zurĂŒck,
das erst Tage spÀter verstummt.
Es gibt Stellen,
an denen das Wasser wÀrmer ist.
Nicht durch Strömung,
sondern als kÀme von unten ein Atemzug.
Manchmal glimmt es dort,
blass und grĂŒn,
als wĂŒrde sich in der Tiefe etwas bewegen.
Langsam.
GröĂer als jedes Schiff.
Zu groĂ,
um allein zu sein.
StĂŒrme hier sind nicht wettergemacht.
Sie beginnen mitten in der Stille,
reiĂen auf wie ein Satz,
der zu lange zurĂŒckgehalten wurde.
Blitze schlagen ins Wasser,
doch das Meer weicht nicht zurĂŒck â
es nimmt sie auf.
Und behÀlt sie.
Manche sagen,
an solchen Orten kann man das Donnern noch Jahre spÀter hören.
Die Alten von Thandoria flĂŒstern,
dass die See nicht entstanden ist,
wie andere Meere.
Sie sei ĂŒbergeblieben â
nach etwas,
das den Himmel zerriss und das Land zerbrach.
Sie sei nicht gefĂŒllt worden â
sie habe sich selbst gefĂŒllt.
Und sie wisse,
wer in ihr war.
Und wer zurĂŒckkommt.
Und wer nicht.
An ihren tiefsten Stellen
ist das Wasser still.
Kein Wind,
keine Strömung,
kein Laut.
Nur das GefĂŒhl,
dass man nicht allein ist.
Nicht oben.
Nicht unten.
Nirgends.
Wer lange genug auf diese FlÀche starrt,
merkt, dass sie zurĂŒckstarrt.
Nicht neugierig.
Nicht feindlich.
Nur⊠bewusst.
Man sagt,
wer ihren Namen ausspricht,
ruft sie.
Und sie antwortet â
nicht immer sofort,
aber immer endgĂŒltig.